Samstag, 7. September 2013

Staatliche Überwachung: "Wir müssen das Internet zurückerobern"

Der Spass am Internet ist mir weitgehend abhanden gekommen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Über die haarsträubende Kommmerzialisierung des Web, wo nahezu jeder Klick vermarktet wird bzw. zu Einnahmen sog. 'Anbieter' führt, schüttle ich schon lange den Kopf. Dann dieser ganze Wust an Malware und sonstigen Nettigkeiten profilneurotischer Schwachköpfe, die das Netz auf ihre Weise in Verruf bringen.
Und jetzt die Spionage-Enthüllungen ...

Das ist nicht mehr das Internet, das die Welt braucht, und auch nicht mehr das, was seine Schöpfer ursprünglich beabsichtigt hatten. Der Westen insgesamt, nicht nur die USA und Großbritannien verwalten Internet un-ethisch und legitimieren so den Missbrauch des Internets durch China, Russland, Iran und andere.

Und die Informationsindustrie macht fleißig mit, wenn sie nicht mit Datamining etc. der eigentliche Vorreiter der grassierenden Überwachungsmentalität war.

Wie ZEIT Online berichtet, verlangt der amerikanische Informatiker und Sicherheitsexperte Bruce Schneier von Technikern und Ingenieuren, die Methoden der NSA und anderer Nachrichtendienste öffentlich anzuprangern - sowie "ein sicheres Internet zu bauen, das die Massenüberwachung durch Staaten unmöglich macht."


Bruce Schneier, 2007
"Regierung und Industrie haben das Internet – und uns – verraten. Indem die NSA das Internet auf jeder Ebene untergraben hat, um aus ihm eine riesige, allumfassende Überwachungsplattform zu machen, hat sie einen fundamentalen Gesellschaftsvertrag unterlaufen.
Weder den Unternehmen, die die Infrastruktur des Internets bauen und regulieren, noch denen, die Hardware und Software verkaufen, noch denen, die Daten speichern, kann man noch zutrauen, dass sie das Netz ethisch korrekt verwalten."
Schneier stellt fest, bislang sei weithin unbekannt, wie genau die NSA und andere Geheimdienste Router, Knotenpunkte und sogar Verschlüsselungstechnologien aushebeln bzw. umgehen.
  
Ist ziviler Ungehorsam als der moralisch richtige und vielleicht notwendige Ausgangspunkt, das Internet wieder zu dem Netz umzugestalten, als das es ursprünglich gedacht war?
"Wir müssen herausfinden, wie wir das Internet umbauen können, um diese Art der Massenausspähung zu verhindern. Wir brauchen neue Techniken, um Kommunikationsvermittler davon abzuhalten, private Informationen weiterzugeben.
Wir können dafür sorgen, dass Überwachung teurer wird."
Meiner Ansicht nach stört sich nur eine Minderheit so sehr an der Überwachungspraxis im Web, dass sie bereit ist auch schmerzhafte Konsequenzen zu ziehen - etwa auf Diensteanbieter zu verzichten, die offensichtlich persönliche Daten an Regierungsorganisationen weitergeben. 
Doch falls in ein paar Jahren aus Anfängen wie dem Appell von Bruce Schneier eine  breite, machtvolle Front entstehen sollte, könnte diese vielleicht bewirken, dass das Internet auch wieder Spaß macht und nicht länger primär als Sicherheitsrisiko gesehen wird. 

Nachtrag (23.10.2013): Angela Merkel war möglicherweise über Jahre hinweg ein Ziel US-amerikanischer Geheimdienste.

Ignoranz endet meist dann recht schnell, wenn man persönlich betroffen ist. Die WELT beschreibt Angela Merkels Verhalten in der Spionageaffäre recht süffisant;
Frau Bundeskanzler habe sich "abwägend und beschwichtigend verdient gemacht". Deutschland sei nun einmal "angewiesen auf die Zusammenarbeit mit den Amerikanern und habe nur wegen US-Hinweisen einen Terroranschlag verhindern können. Netter hätte es Washington selbst nicht sagen können."

Doch wurden ihr kürzlich muss offenbar überzeugende Beweise vorgelegt, dass ihr Privathandy abgehört wurde. Prompt ruft Merkel bei Obama an und in Berlin wirft man den USA "gravierenden Vertrauensbruch" vor. Schadenfreude ist nicht angebracht, oder nur ganz wenig..
"Wieder ist "inakzeptabel" das Wort, dass Indigniertheit mit Ohnmacht kreuzt."
Die Situation, wenn ein strebsamer Nerd auf dem Schulhof gegen Rempeleien stärkerer Mitschüler anredet, ist nicht unähnlich: "Ach bitte, lass das doch, sonst..."
Ja, was 'sonst'? Beleidigt sein bringt auf dem diplomatischen Parkett keine Punkte und zu Wirtschaftssanktionen wird es kaum kommen. Das "Erregungspotenzial" wg. Abhören ausländischer Staatschefs halte sich in den USA fühlbar in Grenzen, meint auch WELT-Korrespondent Uwe Schmitt.

Obamas Reaktion spricht für sich: Der Präsident versichert der erregten Kanzlerin, dass die Vereinigten Staaten ihre Kommunikation nicht überwachen und nicht überwachen werden.“ Inwieweit dies auch auf die Vergangenheit zutrifft, ließ die Sprecherin dem SPIEGEL zufolge offen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen