Wenn ich einen Blick auf die vor uns liegenden 12 Monate werfe, bin ich gleichfalls in Sorge - allerdings hat dies andere Gründe:
Der Euro und die Spätfolgen seiner Frühgeburt
- Die globale Finanzwirtschaft ist in einer geradezu chaotischen Verfassung, eine schlimme Entwicklung der Weltwirtschaft befürchtet IWF-Chefin Lagarde für 2012.
Das eigentliche Primärziel des Euro lag darin, den Frieden in Europa für weitere 60 Jahre und länger zu sichern. Dieses Ziel wurde, nach knapp 10 Jahren ist dies erkennbar, klar verfehlt: Die Nationen des Maastrichter Vertrages stehen einander voller Misstrauen gegenüber und es tun sich kaum überbrückbare Interessenunterschiede auf. Anstatt ein tragfähiges, langfristige Konzept zur
Korrektur der Schieflage zu entwickeln, werden unvorstellbare Summen in
ein Fass ohne Boden gesteckt.
Doch was sind realistische Alternativen?
Die Rückkehr zu nationalen Währungen hätte massive Einschnitte innner- und außerhalb Europas zur Folge.
Die Rückkehr zu nationalen Währungen hätte massive Einschnitte innner- und außerhalb Europas zur Folge.
Den Euro aber zur Conditio sine qua non zu machen, halte ich für einen Fehler. Europa blickte auch vor Einführung des Euro auf große Errungenschaften und ein System wechselseitiger Beziehungen und Kooperationen, von dem alle profitiert haben. Die Aufgabe des Euro wäre zweifelsohne ein folgenschwerer Rückschlag für Europa, aber nicht das Ende.
Kriegsgefahr ... hier?
Obwohl Deutschland seit Jahren Teilnehmer in einem Krieg ist, waren viele von uns bemüht, das Geschehen in Afghanistan so wenig wie möglich zur Kenntnis zu nehmen ... mit Ausnahme der Bundeswehrsoldaten, die dort ihr Leben ließen oder zeitlebens an Spätfolgen zu leiden haben. Gegenwärtig sehen wir uns einer wachsenden, 'wirklichen' Kriegsgefahr ausgesetzt, die so real ist wie schon lange nicht mehr. Mindestens drei Regionen bergen in sich die Gefahr eines sich ausweitenden Konfliktes.- In Nordkorea sind die Machtverhältnisse nach dem Tod des Diktators Kim Jong Il bestenfalls unklar ... schon bezeichnen Kommentatoren es als "nicht auszuschließen, dass der neue Kim seine Autorität nur durch einen Krieg sichern kann". Wie sich die Lage hier entwickeln mag, ist fraglich.
- In Syrien stehen sich die einstigen Gegner im Kalten Krieg nun ziemlich unmittelbar gegenüber: Als Reaktion auf die wachsende westliche Militärpräsenz schickte Russland 6 moderne Kriegsschiffe in syrische Gewässer, welche über eine effiziente, radargestützte Raketenabwehr verfügen. Die NATO soll so vor einem möglichen Luftangriff abgehalten werden. Zugleich helfen russische Experten in Syrien bei der Installation eines hochmodernen, von Russland gelieferten Raketenabwehrsystems. Sicher ist: Russland wird eine Militäraktion des Westens gegen den Iran nicht folgenlos hinnehmen.
- Israels Präsident Peres bezeichnete einen Krieg gegen den Iran als "immer wahrscheinlicher": Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zum iranischen Atomprogramm zeigen, dass die totalitären Machthaber wohl in naher Zukunft über Nuklearwaffen verfügen werden, die sie auch gegen Israel richten könnten. Immerhin hat der Iran auch ballistische Raketen mit Feststofftriebwerken mit einer geschätzten Reichweite von etwa 2000 Kilometern entwickelt und soll nun heimlich den Bau von Nuklearwaffen vorantreiben. Hinter den Kulissen scheint sich einiges abzuspielen: Bereits im November starb der Leiter des iranischen Raketenprogramms, Hassan Teherani Moghaddam, bei einer Explosion - offenbar kein Unfall, sondern ein gezielter Angriff. Experten vermuten, dass der israelische Geheimdienst Mossad dahinter stecken könnte.
Neben der NATO, Israel und Russland beteiligt auch China offenbar an der Drohkulisse um den Iran: der chinesische Staatspräsident habe ernsthaft vor einem Angriff auf den Iran gewarnt: China werde sich sich mit direkten Militärmaßnahmen in den Krieg einschalten. Verwunderlich ist das nicht, schließlich wollen die Chinesen ihre Milliarden-Investionen (→ "Der letzte Freund", ZEIT online, 10/09) im Iran schützen, welche durch die westliche Sanktionspolitik erst ermöglicht wurden.
Wer darf Massenvernichtungswaffen haben - und wer nicht?
Im Westen sind sich anscheinend alle einig: Atomprogramme in so genannten Schurkenstaaten wie Nordkorea und dem Iran sind bedrohlich und deshalb inakzeptabel; sie werden existenzielle Gefahr empfunden. Doch was ist mit der seit über 50 Jahren bestehenden Schieflage - entstanden aus der Tatsache, dass die USA und ihre Verbündeten einschl. Israel derartige Massenvernichtungswaffen besitzen und sehr wohl bereit sind, diese 'notfalls' auch einzusetzen?
Die Antwort "das ist etwas anderes" mag ich so nicht gelten lassen, auch wenn für mich als Deutscher Kritik an Israel heikel (nein, ich bin nicht 'rechts' und habe ganz sicher keine Abneigung gegen die jüdische Bevölkerung des Landes, eher schon gegen eine unverhohlene Politik der Aggression ... die argumentative 'Nazikeule' weise ich als unzutreffend zurück).
Den 'Alten' in der Politik, die selbst den Schrecken eines Weltkrieges erfahren hatten, war eines bewusst: ohne vertrauensbildende Maßnahmen auf Gegenseitigkeit ist ein stabiler Friede zwischen Konfliktparteien undenkbar. Ehrlicher Friedenswille setzt dreierlei voraus:
- eine einigermaßen erträgliche Lage der eigenen Wirtschaft und das Auskommen der Bevölkrung
- gegenseitiges Vertrauen
- die Abwesenheit von Angst bzw. der Empfindung einer konkreten Bedrohung
Die Politik weitgehend isolierter Staaten folgt einer einfachen Logik: Die hegemoniale Macht USA habe jahrzehntelang keinen Staat ernstlich angegriffen, der selbst über Nuklearwaffen verfügte - also möchte man diesen zweifelhaften Schutz auch für das eigene Territorium zur Anwendung bringen. Gleichzeitig provoziert man militärische Auseinandersetzungen um der eigenen Bevölkerung Stärke und die Notwendigkeit militärischer 'Reaktionsbereitschaft' zu demonstrieren. Schwerste Sanktionen und Embargos zu Lasten der eigenen Bevölkerung werden scheinbar mit Gleichmut hingenommen, um ein eigenes Nukleararsenal zu besitzen.
In gewisser Weise sehe sich Russland 'umzingelt', wenn die USA bzw. die Nato Raketensysteme und Militärkräfte um Russland herum positioniere.
Medwedjews Forderung nach strategischem nuklearen Gleichgewicht sowie einer Berechenbarkeit in der westlichen Außen- und Militärpolitik ist nicht nur verständlich, sie ist vernünftig und liegt im Interesse beider Seiten. Zur Wahrung legitimer Sicherheitsbelange kündigt Russlands Präsident unter anderem die Entwicklung ballistischer Raketen und Sprengköpfe, welche diesen neuen Raketenschild durchdringen könnten, an - sowie die Stationierung moderner Angriffswaffen im Westen und Süden des Landes.
Auch wenn solche Töne auch früher aus dem Kreml zu vernehmen waren, teile ich den Eindruck, dass die Welt eventuell auf einen globalen Konflikt zusteuert - als mögliche Konsequenz einer Politik, die kaum eine Gelegenheit auslässt, 'die anderen' zu provozieren. "Wer Probleme militärisch zu lösen versucht, begeht man einen schweren Fehler"
Ist diese Warnung von Michail Gorbatschow übertrieben? Immerhin impliziert die globale Lage ein wachsendes Konfliktpotenzial und es zeigt sich eine zunehmende Bereitschaft der meisten Beteiligten, in solche Konflikte einzutreten. Nicht ohne Grund warnen 'alte Hasen' vor einer globalen militärischen Konfrontation.
Damals sang der Leadsänger der Kölner Band BAP Wolfgang Niedecken von 'aalglatten alten Männern, die mit Raketen jonglieren und verglich sie mit Affen, die neugierig mit einer geladenen Pistole herum hantieren.
Umwelt und Natur - der Ast auf dem wir (noch) sitzen
Das Jahr 2012 wird ökologisch kaum nennenswerte Veränderungen bringen, schätze ich: Weiterhin werden Umweltverschmutzung und Ressourcenabbau irreversible Schäden verursachen ... und die Mehrheit wird dies ohne nennenswerten Widerspruch hinnehmen. Nur gelegentlich wird man über die Häufung von Überschwemmungen und anderen Extremwetterlagen verwundert den Kopf schütteln und bestenfalls ein paar Spendenaufrufen folgen. Auch diesbezüglich dominiert die egoistische Gleichgültigkeit nach dem St.Florians-Prinzip.Wie viel Zeit noch bleibt, bis die Welt einen Point of No Return erreicht? Je nach Vorhersagemodell könnten die mittleren Temperaturen in Deutschland bis 2050 um bis zu 5 Grad ansteigen. Bis dahin dürfte dann auch die Gletscherschmelze so weit fortgeschritten sein, dass dieses wichtige Trinkwasser-Reservoir in Mitteleuropa kaum mehr zur Verfügung steht. Hier ließe sich eine Vielzahl weiterer Aspekte aufzählen und vielleicht ist unsere Umwelt und unsere Interaktion mit ihr das wichtigste Thema der nächsten Jahre - doch ich meine, die Veränderungen und ihre Ursachen sind allgemein bekannt. An einem etwaigen Informationsdefizit liegt es nicht, wenn Veränderungen nicht oder nur halbherzig eingeleitet werden.
Düsterer Ausblick, aber keine Endzeit-Paranoia
Mein persönlicher Ausblick für 2012 und die folgenden Jahre fällt momentan sieht dunkelgrau bis schwarz aus. Unsere Voraussetzungen, den vielen eskalierenden Probleme zu begegnen beurteile ich pessimistisch: in ihrer Vielzahl und mit ihrem beängstigenden Ausmaß stehen sie einem Minimum an Reaktionen gegenüber; leider mangelt es den meisten Verantwortlichen offenbar an einer moralischen Orientierung.
Wohin man auch blickt, die wirklich akuten und Besorgnis erregenden Krisen haben einen von den Menschen selbst herbeigeführten Ursprung - sowie eine kaum vorhersehbare Dynamik.
Die besonders 2011 künstlich herauf beschworene Panik vor kosmischen Katastrophen nützt niemandem - dieses Risikopotenzial hat uns schon immer begleitet.
Hängt dieser schräge Fokus vielleicht damit zusammen, dass wir diese Gefahren nicht beeinflussen können - was zugleich bedeutet, dass wir sie nicht verantworten müssen? Wer seinen Blick mehr auf die von Menschen verursachten Krisen richtet, könnte sich dagegen veranlasst sehen, das eigene Verhalten zu revidieren...wie unbequem.
Vielleicht ist genau das das einzig Sinnvolle und Richtige, das wir tun können und sollten - uns in unserem persönlichen Lebensbereich mit den individuell gegebenen Möglichkeiten der eigenen Verantwortung zu stellen. Es sind die kleinen, dauerhaften Schritte, die wirklich etwas bewirken.
Zumindest aber fühlt man sich in dem Bewusstsein besser, etwas Richtiges unternommen zu haben - als wenn man ängstlich auf 'Nibiru', Apophis starrt wie ein Kaninchen auf die Schlange...
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